Teilchen und WellenEinleitung - Didaktische Anmerkungen |
Leider wird der Welle-Teilchen Dualismus oft so dargestellt, als ob nicht klar wäre, ob Elektronen oder Photonen nun "eigentlich" Teilchen oder Wellen seien. Die Mehrheit der modernen Physiker steht aber auf dem folgenden Standpunkt: Alle Elementarteilchen sind tatsächlich Teilchen. Wenn man sie an irgendeinem Ort findet, sind sie punktförmig, und nicht über ein Raumgebiet verschmiert.
Es ist wohl besser, die "wahre Natur" der Elektronen und Photonen als "Teilchen" nicht zu sehr in Frage zu stellen, da das nur zu Verwirrungen führt. Für philosophische Exkursionen ist später noch Zeit und alternative Interpretationen der Quantenmechanik sind eher etwas für Spezialisten.
Elektronen und Photonen sind also punktförmige Teilchen. Was sich wellenförmig verteilt ist ihre Aufenthaltswahrscheinlichkeit. Die Feststellung von Welleneigenschaften betrifft die Beschreibung der Bewegung, der Fortpflanzung durch den Raum, aber nicht die "Natur" der Teilchen.
Dem liegt eine allgemeine Beobachtung zu Grunde: Wenn es für den Wert einer Observablen mehrere Möglichkeiten gibt, dann hat die Observable im allgemeinen tatsächlich keinen bestimmten Wert - dieser ist "in der physikalischen Realität" einfach nicht festgelegt (das unterscheidet eine quantenmechanische Observable von einer klassischen Zufallsvariablen). Die verschiedenen Möglichkeiten können sich nun gegenseitig beeinflussen ("Interferenz"). Durch diese Interferenz zeigt die Aufenthaltswahrscheinlichkeit wellenartige Muster im Ortsraum, wenn die in Frage stehende Observable eben der Ort ist. Das Auftreten von Interferenz zeigt also an, dass das Teilchen in einem Zustand ist, in dem der Ort nicht genau festgelegt ist. Diese Art und Weise, wie die Quantenmechanik mit dem gleichzeitigen Vorliegen von Alternativen und Möglichkeiten umgeht, ist das eigentlich Neuartige und Revolutionäre an der Quantenmechanik. Dies wird später im Doppelspaltexperiment besonders deutlich.
Die Tatsache, dass historisch bei Photonenstrahlen zuerst der Wellencharakter, bei Elektronenstrahlen zuerst der Teilchencharakter festgestellt wurde, liegt auch in den Teilcheneigenschaften begründet:
Photonen sind Bosonen, die untereinander keine Wechselwirkung haben. Bosonen haben die Eigenschaft, dass viele Teilchen denselben quantenmechanischen Zustand besetzen können. Es können (zB in einem Laserstrahl) sehr viele Photonen auftreten, deren Bewegung durch ein und dieselbe Wellenfunktion beschrieben wird (kohärenter Strahl). Die Besetzung des quantenmechanischen Zustandes durch extrem viele Teilchen (die aber keine Wechselwirkung untereinander haben) "verstärkt" die Wellenfunktion und macht Interferenzeffekte relativ leicht auch makroskopisch nachweisbar.
Ganz anders verhalten sich Elektronen. Elektronen sind Fermionen und das Pauli-Prinzip verbietet, dass sich mehrere Elektronen einen quantenmechanischen Zustand teilen. Jede elektronische Wellenfunktion wird also nur durch ein einzelnes Elektron realisiert - eine "Verstärkung" der Wellenfunktion durch viele Elektronen ist also ausgeschlossen. Ein Strahl aus vielen Elektronen ist inkohärent und Interferenzen sind viel schwerer zu beobachten, da sich die Beiträge der einzelnen Wellenfunktionen zu leicht herausmitteln. Interferenzen im Elektronenstrahl müssen durch "Einzelereignisse" nachgewiesen werden. Große Dichten im Elektronenstrahl lassen ausserdem die Coulombabstossung störend in Erscheinung treten. Elektronen sind also in diesem Sinne Individualisten, und ein Strahl von Elektronen läßt sich daher eher als Ansammlung von Teilchen beobachten.