Schwingende Saite - Didaktische Anmerkungen


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Beziehung zur Quantenmechanik

Die eingespannte schwingende Saite ist für die Quantenmechanik von extremer Wichtigkeit. Die Schrödingergleichung für ein Teilchen in einer Schachtel mit undurchdringlichen Wänden hat in einer Raumdimension ganz analoge Lösungen. Die schwingende Saite ist der Realteil einer Lösung der Schrödingergleichung:

Eigenschwingungen der klassischen schwingenden Saite:

sin(kx) cos(wt)

Lösungen der Schrödingergleichung mit Dirichlet-Randbedingungen (Teilchen in einer eindimensionalen Schachtel mit undurchlässigen Wänden):

sin(kx) exp(i wt)

Die klassische schwingende Saite illustriert für die Quantenmechanik das Zustandekommen stationärer Zustände mit diskreten Energien. Nur bei ganz bestimmten Frequenzen ("Eigenfrequenzen") vollführt die eingespannte Saite stationäre Schwingungen mit räumlich feststehenden Schwingungsknoten ("Eigenschwingungen"). Die Frequenzen der schwingenden Saite sind also "quantisiert". Eine stationäre Schwingung kann nicht bei jeder beliebigen Frequenz stattfinden, sondern nur bei den Eigenfrequenzen des Systems (der schwingenden Saite).

Eine stationäre Schwingung ist nichts anderes als eine stehende Welle, kann also als Überlagerung gegenläufiger Wellen gedacht werden. Da in der Quantenmechanik die Frequenz eines Wellenvorgangs zur Energie des dadurch beschriebenen Teilchens proportional ist, erklärt die Existenz von Eigenfrequenzen die Existenz der diskreten Energieniveaus, also die Quantisierung der Energie.

Jedes Energieniveau entspricht einem stationären Zustand des Teilchens (einer stehenden Welle = stationäre Schwingung der das Teilchen beschreibenden Wellenfunktion). Diese Situation ist ganz analog in höheren Raumdimensionen - also bei einer schwingenden Membran (2 Dimensionen) und bei stehenden Wellen in einem Hohlraum (3 Dimensionen).

Auch die diskreten Energieniveaus der Atomen sind nichts anderes als die Eigenfrequenzen von stationären Schwingungen. Der einzige Unterschied ist, dass die Wellenfunktion nicht durch die Wände des Hohlraums eingeschränkt wird, sondern durch die Kraft des Atomkerns gebunden wird.

Mathematische Modellbildung

Es sollte darauf hingewiesen werden, dass die ungedämpfte stationäre Schwingung einer eingespannten Seite eine mathematische Idealisierung ist, die bei realen Systemen so nicht beobachtbar ist. Durch unvermeidliche Verluste bei elastischer Deformation, durch die Reibung an den Befestigungspunkten, durch Luftwiderstand, etc., geht der Schwingung Energie verloren und jede Bewegung kommt asymptotisch mit der Zeit zum Stillstand. Die Amplitude geht asymptotisch gegen Null, wobei Schwingungen mit höherer Frequenz zuerst weggedämpft werden.

Nichtstationäre Schwingungen und Überlagerungen

Durch lineare Superposition (Überlagerung) der Eigenschwingungen können nicht-stationäre Schwingungen der Seite erzeugt werden. Das Anzupfen einer eingespannten Seite erregt normalerweise nicht eine einzelne Eigenschwingung, sondern eine kompliziertere Schwingung. Die Bedeutung der Eigenschwingungen liegt darin, dass alle möglichen Bewegungen der Saite als Überlagerung von Eigenschwingungen aufgefasst werden können. Mathematisch werden diese Überlagerungen durch Fourierreihen beschrieben.

Auch in der Quantenmechanik gibt es solche Superpositionen. Das sind zeitabhängige Zustände, die keine scharfe Energie haben, sondern eine Überlagerung mehrerer Energien darstellen. Eventuell gehen durch Abstrahlung von Photonen Zustände mit höherer Energie in Zustände mit niedrigerer Energie über. Die Abstrahlung von Energie ist das quantenmechanische Analogon zur Dämpfung der schwingenden Saite durch Reibung.

Anders als in der klassischen Physik hat die Amplitude der Schwingung in der Quantenmechanik nichts mit der Energie der Bewegung zu tun (die Energie entspricht ja der Frequenz). In der Quantenmechanik beschreibt die Amplitude die Aufenthaltswahrscheinlichkeit. Solange wir also ein Teilchen haben, bleibt die Amplitude einer stationären Schwingung konstant.

Bei einem quantenmechanischen System kann die Energie also nicht niedriger sein als diejenige Energie, die der niedrigstmöglichen Frequenz (Grundschwingung) entspricht. Dieser Grundzustand mit der niedrigst möglichen Energie ist stabil, ein weiterer Energieverlust durch Abstrahlung ist im Grundzustand nicht mehr möglich, da es keinen Zustand mit geringerer Frequenz mehr gibt. Diese Beobachtung ist die Ursache für die Stabilität der Atome.


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Die Lerneinheiten dieses Abschnitts Info
Wellen - Das Wichtigste in Kürze Didaktische Anmerkungen
Visualisierung von Wellen
Interferenz von Wellen
Stehende Wellen Didaktische Anmerkungen
Stehende Wellen als Überlagerung
Schwingende Saite Didaktische Anmerkungen